Landesverband Epilepsie Bayern e.V.

Umso offener man mit der Erkrankung umgeht, umso leichter ist es auch für andere

Umso offener man mit der Erkrankung umgeht, umso leichter ist es auch für andere

Ich bin 18 Jahre alt und gehe noch zur Schule.

Das erste Mal Epilepsie hatte ich mit 13 Jahren – da hatte ich einen ersten richtigen Anfall und es wurde schnell Epilepsie diagnostiziert – jetzt, 5 Jahre später, habe ich immer noch Epilepsie. Der erste Anfall war der einzige, den ich bewusst miterlebt habe. Ich lag in meinem Bett und hatte Krämpfe im rechten Arm, die unerträglich wurden. Ich konnte meinen Arm gar nicht kontrollieren. Der ganze Körper war auf diesen Arm fokussiert, ich konnte niemanden rufen. Bei allen nachfolgenden Anfällen war ich immer ohnmächtig und habe nichts miterlebt. Ich wusste nur, jetzt habe ich einen epileptischen Anfall und bin erst mal weg – danach wache ich auf, ohne irgendwelche Erinnerungen.

Nach Jahren bin ich nun manchmal mehrere Monate anfallsfrei. Es musste das richtige Medikament gefunden werden. Manchmal gibt es „Ausrutscher“, dann hat man plötzlich einen Anfall, das kann jederzeit passieren. Aber zurzeit schaue ich, dass ich es besser hinbekomme. Man kann es nicht steuern, aber man kann so leben, dass man weniger Anfälle bekommt. Man kann sich ruhig verhalten, Stress vermeiden. Man muss auf einiges verzichten und sollte sich der Krankheit beugen, um schlimmeres zu vermeiden.

Manchmal spüre ich, wenn ich Anfälle bekomme, ich bekomme dann Auren. Das ist eine Art kleiner Anfall, mein rechter Arm wird dann taub. Er fühlt sich an wie ein Fremdkörper, als ob er nicht zu meinem Körper gehören würde. Wenn das passiert, dann weiß ich schon, das ist nicht optimal, ich sollte runterschrauben. Es setzt kurz ein und dann wird man ohnmächtig. Man kommt in einen schwarzen Raum und dann wird man wieder direkt herausgezogen. Es ist eine sehr komische Erfahrung.

Mit meinem Lebensstil kann ich einiges umgehen. Man nennt das auch Selbstkontrolle. Mir wurde mal Meditation empfohlen. Ich glaube nicht unbedingt an den inneren Frieden, aber es hilft einem, Anfälle zu unterdrücken und sich selber kurz zu beruhigen. Man glaubt es nicht so, aber Stressreduzierung ist sehr wichtig. Entspannungstechniken sind hilfreich. Mit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und einem entsprechenden Lebensstil habe ich schon einen Rekord von einem halben Jahr Anfallsfreiheit geschafft, das ist wirklich lang für mich. Das Schlimmste was ich hatte, waren fünf Anfälle an einem Tag.

Ich spreche sehr viel mit meinen Freunden über meine Erkrankung. Viele lernen mich kennen als Mann mit Epilepsie – aber nicht negativ. Vor kurzem sprach ich mit einem Mädchen, deren Bruder auch Epilepsie hat. Sie erzählte, wie sie es bei ihm mitbekam und wir tauschten uns aus. Ich würde meine Krankheit nicht verheimlichen. Es kann jederzeit etwas passieren und ich möchte, dass die Leute um mich herum wissen, dass ich gerade einen epileptischen Anfall habe. Sie können sich dann beruhigen und wissen, dass nichts Schlimmes mit mir passiert. Das ist natürlich bei mir.

Die Menschen reagieren sehr offen und respektieren das meistens, dass ich mit dieser Krankheit lebe.

Es ist eine Behinderung, die wünscht man sich natürlich nicht. Die Mitmenschen finden es schade, dass ich damit leben muss, gehen aber offen damit um und versuchen, sich um mich zu kümmern. Ich kann es auch verstehen, wenn man nicht über die Erkrankung spricht, weil man Angst hat, nicht akzeptiert zu werden. Es ist eine normale Krankheit. Wenn dich jemand nicht mag wegen einer Krankheit, dann ist er es auch nicht wert, mit ihm befreundet zu sein. Natürlich sollte man es den Leuten erklären und sagen, dass daran nichts Komisches ist. Ich versuche, darüber zu stehen. Die meisten Menschen respektieren mich dann.

Ich bin schon immer sehr selbstbewusst. Als ich die Nachricht bekam, dass ich Epileptiker und behindert bin, ist das einfach passiert und ich musste direkt damit leben. Ich habe mich nicht beschwert, weil ich kann es nicht entscheiden. Am besten ist es zu versuchen, mit der Situation umzugehen. Ich habe nicht versucht, darüber nachzudenken oder eine Szene zu machen. Ich habe einfach versucht weiterzuleben, ohne mich zu sehr runterdrücken zu lassen.

Es fällt mir nicht leicht, mich immer an die Regeln zu halten und ich ignoriere sie auch immer wieder. Dann passieren diese Ausrutscher, die ich vorher erwähnt habe. Man bekommt plötzlich einen Anfall, weil man nicht selber auf sich achtet. Das versuche ich nun zu unterdrücken und die Ausrutscher kleiner zu halten, um besser damit leben zu können. Man sollte auf jeden Fall genügend schlafen, wenig Alkohol trinken, nicht baden, versuchen sich gesund zu ernähren und auf sich selber genug Acht geben, damit sich der Körper entspannt fühlt.

Die schlimmste Einschränkung für mich ist, dass ich momentan nicht den Führerschein machen darf, wenn ich noch kein Jahr anfallsfrei bin.

Und nicht die Fähigkeit zu haben, egal wo, alleine sein zu können. Man könnte überall umfallen und das ist gefährlich, z. B. wenn ich alleine auf einer Brücke stehe und dort einen epileptischen Anfall bekomme. Die schlimmste Einschränkung ist, nicht die Freiheit zu haben überall zu sein, wo man will.

Beruflich will ich Fachinformatiker werden nach dem Abitur. Informatik interessiert mich sehr, macht mir Spaß und ist zukunftssicher. Zudem geht das gut auch mit meiner Erkrankung. Als erstes wollte ich ja Tiefseetaucher werden. 😉

Positiv erlebe ich die Menschen, meine Freunde und meine Familie um mich herum. Wie sie sich um mich kümmern, auch in der Nacht. Meine Freunde tragen mich z. B. nach Hause, sagen meinen Eltern Bescheid. Die Leute haben es respektiert. Ich habe großes Glück gehabt, auch in der Schule. Ich wurde nie gehänselt.

Umso offener man mit der Erkrankung umgeht, umso leichter ist es auch für andere.

Das Beste, das mir mit Epilepsie widerfahren ist: Ich habe online mit einem Freund spät abends gespielt. Er hat über das Mikrofon mitbekommen, dass ich einen epileptischen Anfall habe und hat versucht, meine Mutter anzurufen. Er rief einen Freund an, der in der Nähe wohnt. Der hat dann meine Mutter wach geklingelt, das ist eine sehr positive Erfahrung.

Ich bin froh um meine Mitmenschen, die sich um mich kümmern.

Ich habe großes Glück gehabt mit meiner Erkrankung.

Oliver, Betroffener, 18 Jahre