Landesverband Epilepsie Bayern e.V.

Vom Schönen und Schlimmen

Vom Schönen und Schlimmen

Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, dass Nazanin ihren ersten Anfall hatte. Wir wohnten damals noch in einem Heim für Asylsuchende. Herr F., der Chefarzt der Kinderklinik, war damals unser Nachbar. Wir haben nach ihm gerufen und er ist gleich gekommen. Er hat dann schnell gesehen, dass Nazanin einen Anfall hat. Ich bin damals sehr erschrocken, da ich nicht wusste, was mit meiner Tochter passiert. Sie konnte den Arm nicht mehr bewegen und ihr Fuß ist dick geworden. Sie konnte auch nicht mehr sprechen. Sie musste dann ins Krankenhaus. Sie hatte am Anfang öfters Anfälle, jetzt ist es Gott sei Dank besser. Sie ist jetzt in Behandlung in der neuropädiatrischen Ambulanz und bekommt Medikamente. Nazanin war auch früher schon immer sehr unruhig. Vielleicht hängt das auch mit der Situation damals in Afghanistan zusammen. Wo wir wohnten, war umkämpftes Gebiet. Das war damals alles sehr unsicher und wir sind in den Iran gegangen. Dort sind wir drei Monate geblieben. Da wir aber keinen Pass hatten und Ausländer waren, sollten wir wieder zurück nach Afghanistan. Wir mussten dann sehr viel Geld zahlen, um im Iran bleiben zu können. Wir hatten immer Angst vor der Polizei. Wir konnten im Iran nicht leicht zum Arzt, wenn Nazanin krank wurde. Sie wollte immer alleine sein, nicht essen und nur in einem dunklen Zimmer sein. Sie hat zu viel Gewalt gesehen, ihr ging es sehr schlecht. Sie bekam dann eine psychologische Diagnose. Allerdings keine Behandlung, da wir keinen Pass hatten. Im Iran gab es keine Sicherheit für uns. Ein Jahr hat es gedauert, bis wir über die Türkei, Griechenland und Italien in Deutschland angekommen sind.

Heute geht es Nazanin Gott sei Dank besser. Sie ist hier in kinderpsychologischer Behandlung. In der Nacht hat sie vor allem noch sehr viel Angst und kann nicht alleine schlafen. Im Iran konnte es sein, dass nachts plötzlich die Polizei kam, es war alles sehr unsicher. Das belastet sie bis heute.

In der Schule war es für sie am Anfang schwer, da hat sie viel geweint, aber jetzt ist es kein Problem mehr. Sie hatte zwei Mal in der Schule einen Anfall, aber die Lehrerin ist sehr gut damit umgegangen. Sie hat einen Krankenwagen gerufen, der Nazanin in die Notaufnahme gebracht hat. Nazanin merkt auch meistens schon vorher, wenn sie einen Anfall bekommt, ihr ist dann schwindelig und sie sieht alles getrübt, wie durch eine Gardine. Sie bekommt dann Angst und kommt zu mir. Manchmal hat sie es auch nicht geschafft, dann kam der Anfall plötzlich und sie hat es nicht gemerkt. Manchmal kommt sie auch, ohne dass etwas passiert, dann hat sie Angst vor einem möglichen Anfall. Seit Nazanin ein neues Medikament bekommen hat, sind keine Anfälle mehr vorgekommen, so dass sie jetzt seit 4-5 Monaten schon anfallsfrei ist.

Als wir hier die Diagnose Epilepsie bekamen, haben wir sehr viel Hilfe erfahren. Die Ärzte, die Epilepsieberatung, die Kinderpsychologin haben sehr viel dazu beigetragen, dass es Nazanin jetzt viel besser geht. Nazanin ist ein Kind, das sehr viel nachdenkt. Denkt sie an etwas Schönes, denkt sie sehr viel über das Schöne nach. Denkt sie an etwas Schlechtes, macht sie sich viele Gedanken über dieses Schlimme. Zurzeit denkt sie viel mehr an schöne Sachen, so dass sie ein viel fröhlicheres Kind geworden ist trotz der Epilepsie. Dazu hat auch die Kinderpsychologin sehr beigetragen.

Ganz wichtig für uns war, gute Informationen über die Epilepsie zu bekommen. Die Info durch die Epilepsieberatung und das Buch für Nazanin, in dem sie die Geschichte über das epilepsiekranke Mädchen lesen konnte, war für sie sehr hilfreich. Am Anfang wollte sie die Medikamente nicht nehmen, erst später hat sie es verstanden. Für uns ist es sehr wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, wo wir immer hingehen können, auch wenn die Anfälle wieder kommen sollten. Auch wenn wir uns jetzt im Alltag schon gut auf Deutsch verständigen können, sind doch bei einem Thema wie Epilepsie oft viele schwierige Wörter dabei. Manchmal verstehe ich die Frage nicht, manchmal antworte ich dann etwas ganz anderes. Nazanin spricht Gott sei Dank schon sehr gut deutsch. Für die Unterstützung, die wir erfahren haben sind wir sehr dankbar.

Mutter von Nazanin, 9 Jahre